„Wir werden den Rechtsruck verhindern und Europa fair gestalten!“
Am 9. Juni findet in Österreich die Europawahl statt. Wir haben mit SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder über die Gefahr eines Rechtsrucks, sozialdemokratische Meilensteine in der Europa-Politik und dringend notwendige Maßnahmen im Kampf gegen die Teuerung gesprochen. „Ein soziales, demokratisches und faires Europa gibt es nur mit einer starken Sozialdemokratie“, sagt Schieder.
Lieber Andreas, am 9. Juni wird in Österreich das Europäische Parlament gewählt. Welche Bedeutung hat die Europawahl?
Wir stehen vor einer wichtigen Richtungsentscheidung. Leben wir künftig in einem Europa der Spaltung, Abschottung und Angriffe auf Demokratie und Menschenrechte? Oder leben wir in einem gemeinsamen und solidarischen Europa der Menschen? Einem Europa, das dank einer starken und selbstbewussten Sozialdemokratie stärker, demokratischer und sozialer ist! Genau darum geht’s bei der Europawahl. Nur eine starke Sozialdemokratie kann den Rechtsruck verhindern und Europa fair gestalten.
Du warnst vor Angriffen auf Demokratie und Menschenrechte. Welche Folgen drohen, wenn die Kickls, Orbans und Le Pens in Europa die Oberhand gewinnen?
Die Folgen eines Rechtsrucks wären dramatisch. Wir müssen nur nach Ungarn oder Polen schauen, wo in den letzten Jahren rechtsstaatliche Prinzipien untergraben, Frauenrechte beschnitten, Gewerkschaften attackiert und die Pressefreiheit fast abgeschafft wurden. Das müssen wir verhindern. Weil Demokratieabbau auch immer mit Sozialabbau einhergeht. Die konservativen Kräfte im Europäischen Parlament paktieren immer öfter mit den rechtspopulistischen Parteien und machen sich zum Steigbügelhalter dieser Politik. Wir werden Europa und unsere Werte nicht jenen überlassen, die sie zerstören wollen.
Was setzt die SPÖ dem drohenden Rechtsruck entgegen?
Wir setzen den Rechten und Europafeinden unseren Zusammenhalt, Solidarität und soziale Sicherheit entgegen. Ein Europa, das sich um die Menschen und ihre Probleme kümmert, ist das beste Mittel gegen Rechtsruck, Rassismus und Spaltung. Wir stellen die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt. Nicht die Profite der Großkonzerne, Spekulanten und Lobbyisten, wie es Konservative und Neoliberale tun. Wir als SPÖ werben für ein starkes und soziales Europa und mobilisieren für einen Aufbruch zu neuer sozialer Gerechtigkeit. Für gute Arbeitsplätze, eine sichere Gesundheitsversorgung und die Bekämpfung der Armut. Damit alle von Europa profitieren.
Die EU besteht aus 27 Staaten. Die Abläufe sind kompliziert, die Vorurteile manchmal groß. Was hältst du dem entgegen?
Die Europäische Union ist die stärkste Garantin für Frieden und Freiheit in Europa. Die EU bringt viele Vorteile für die Menschen. Wir haben eine gemeinsame Währung, das Handy-Roaming wurde abgeschafft und Studierende können mit dem Erasmus+-Programm überall in Europa studieren. Was außerdem vielen nicht bewusst ist: Die EU fördert sehr viele Projekte in Österreich. Die EU investiert etwa in den Gesundheitsbereich, konkret zum Beispiel in Primärversorgungszentren oder Community Nurses. Finanziell unterstützt werden Heizungstausch und Laptops für Schüler*innen. Und auch für die Stärkung der Regionen nimmt die EU etwa für Betriebserweiterungen, Radwege und Kulturangebote viel Geld in die Hand.
Die Sozialdemokratie hat im Europäischen Parlament viel erreicht? Auf welche Errungenschaften bist du besonders stolz?
Gemeinsam mit der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Evelyn Regner und unseren EU-Abgeordneten haben wir mit unserer Erfahrung und großem Einsatz viel zum Besseren verändern können. Mit der Mindestlohnrichtlinie sagen wir Lohndumping den Kampf an. Durch verpflichtende Lohntransparenz sorgen wir für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Und mit dem Gewaltschutzpaket, der Absicherung von Plattformbeschäftigten und der Europäischen Kindergarantie sorgen wir für Sicherheit und Chancen. Diese wichtigen Meilensteine tragen unsere sozialdemokratische Handschrift. Sie sind Motivation und Ansporn, mit ganzer Kraft weiterzuarbeiten und unsere Vision eines fairen Europas zu verwirklichen.
Die enorme Teuerung ist jenes Thema, das die Menschen am meisten beschäftigt.
Was kann Europa für ein leistbares Leben tun?
Die Inflation muss endlich effektiv bekämpft werden. Die Teuerungskrise hat gezeigt, dass die blinde Marktgläubigkeit der Konservativen und Neoliberalen völlig fehl am Platz ist. Europa darf sich nicht dem Profitstreben der Lobbyisten und Spekulanten unterwerfen, sondern muss in den Markt eingreifen. Grundbedürfnisse wie Wohnen, Lebensmittel und Energie dürfen kein Luxus sein.
Steuergerechtigkeit ist dir ein großes Anliegen. Was muss geschehen, damit es zu einer gerechten Verteilung des Wohlstands kommt?
Die Macht der internationale Großkonzerne muss gebrochen werden. Ich will die Rechte der Arbeitnehmer*innen stärken und Ausbeutung und Missbrauch entlang der Lieferketten verhindern. Wir werden alles dafür tun, dass Steuerschlupflöcher ein für alle Mal geschlossen werden – und internationale Großkonzerne zur Kassa bitten. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Nur wenn alle einen fairen Beitrag leisten und ihre Steuern zahlen, können wir Wohlstand in Europa garantieren.
Österreich und Europa stehen vor großen Herausforderungen. Stichwort Klimaschutz und Standortpolitik. Wie können sie gelöst werden?
Wir können die großen Herausforderungen, die vor uns liegen, nur gemeinsam lösen. Dazu gehört der Klimaschutz genauso wie die Absicherung der Medikamentenversorgung. Beides sind zentrale Bereiche, um für ein gesundes Leben zu sorgen. Der „Green Deal“, den ÖVP und FPÖ blockieren, muss mit Leben erfüllt werden. Investitionen braucht es in die Energiewende genauso wie in Forschung und Entwicklung im Gesundheitsbereich. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir bei der Medikamentenversorgung endlich unabhängig von China werden müssen. Mehr „Made in Europe“ macht uns krisenfest.